noch eine fußphantasie


Als ich die letzte Kiste ausgeräumt hatte und mich umschaute, sah meine Wohnung nun doch richtig gemütlich aus. Ich war zufrieden mit mir und ließ mich auf mein neues Sofa fallen.
Manchmal ging das Leben seltsame Wege. Ein Jahr hatte ich gebraucht, um aus unserer gemeinsamen Wohnung auszuziehen. Ein Jahr ewiges hin und her, mich nicht trennen können und doch weg wollen. Und dann war plötzlich alles ganz schnell gegangen, Christians Gleichgültigkeit und sein Desinteresse standen im Vordergrund. Da machte der Name Nicole nichts mehr aus, er war einer von vielen in den drei Jahren. Am Anfang hatte es weh getan, hatte am Selbstvertrauen genagt, dann hatte es wütend gemacht, und als es letztendlich egal war, es nur noch ein Name war, war es höchste Zeit zu gehen.
Da war es dann auch wohl Fügung des Schicksals, dass Frau Kasulke zum x-ten Mal ihre Hörgeräte überprüfen ließ und dann von der freiwerdenden Wohnung neben ihr erzählte. Was heißt erzählte, sie schrie es geradezu durch den Akustikerladen. Sie kam nicht klar mit den Hörgeräten, verstellte immer wieder etwas oder verlor die Batterien oder das gesamte Gerät. Nun, gerade mal 3 Wochen später wohnte ich neben ihr. Sie hatte mich beim Einzug mit allem versorgt, was ich brauchte, Kaffee, Kuchen, Mittag- und Abendessen. Ich bot natürlich auch gerne meine Hilfe an und zwei Wochen später konnte ich mich wenigstens etwas revanchieren. Frau Kasulke fuhr für zwei Wochen zu ihrer Tochter ins Bergische und ich würde in der Zeit den Flur reinigen.
Insgesamt war dies trotz der 11 Mietwohnungen ein ziemlich ruhiges Haus, man bekam nicht viel mit von den anderen Bewohnern. Über mir spielte jemand Saxophon, und immer, wenn ich es hörte, fühlte ich mich sofort zuhause.
Als ich Ende der Woche den Flur reinigte, lernte ich wenigstens rein optisch einige meiner Nachbarn kennen.
Da war die Frau mit den Zwillingen, die wohl ziemlich weit oben wohnen musste. Sie lief schnellen Schrittes an mir vorbei, drehte sich um und nickte nur einmal kurz. Ich hörte zwar nichts, da mich mein Walkman mit Musik versorgte, aber ich sah, dass ihre Lippen verschlossen blieben. Hinterher liefen zwei Jungs, sie mochten so ungefähr 5 Jahre alt sein, lachend die Treppe hinauf. Dann war da noch eine Frau, ich schätzte sie auf Mitte 40, Typ Sekretärin. Sie musterte erst mich, dann die Treppenstufen. Wahrscheinlich eine von denen, die genau kontrollierten, ob der Flur auch korrekt gereinigt wurde. Möglicherweise war das Frau Mitscheid. Frau Kasulke hatte mir von ihr erzählt, "Hexe" hatte sie gesagt und "verstockte alte Kuh, die sich andauernd über dieses und jenes beschwerte". Ich passte mit Jeans und T-Shirt und dazu noch barfuß mit dreckigen Fußsohlen wohl nicht ganz in ihr Bild von Weiblichkeit, sofern sie überhaupt eins besaß.
Ich war versunken in die Musik, und trotz der Arbeit merkte ich, wie ich mitwippte. Plötzlich hatte ich das Gefühl mich beobachtet jemand. Ich drehte mich um und hinter mir stand ein junger Mann. Er war recht groß und schmal und trug Jeans, Shirt und ein Cordsakko. Seine blonden Haare waren etwas länger, fast bis auf die Schultern. Verlegen schaute er mich an, er wurde rot und ich weiß nicht warum, ich war auch verlegen. Mehr als ein leises "Hallo" brachte ich, genau wie er, nicht heraus. Ich ärgerte mich über mich selber, warum war ich nicht einfach aufgestanden und hatte "Hallo, ich bin Carolin und du?" gesagt? Nein, ich tat so, als wenn ich weiter wischte. Aber meine Augen verfolgten ihn, und ich nahm den Kopfhörer ab um zu hören, wie weit er ging und welche Tür zuschlug.
Das konnte nur eine Tür im ersten Stock sein. Ich lief zu den Briefkästen. Also, Daniel Wertkamp oder Stefan Gromann. Daniel hatte ich beim Einzug kennengelernt, als ich, eine schwere Kiste vor den Augen, fast mit ihm und seinem Freund zusammengestoßen wäre.
Das war also der Mann, der das Saxophon spielte. Nett, dachte ich, und wunderte mich, dass ich überhaupt schon wieder Interesse spüren konnte.
Am nächsten Mittag sah ich ihn, wie er sein Fahrrad in den Hof stellte, während ich gerade mit Ella, meiner besten Freundin, telefonierte. Er sah mich nicht, aber ich sah, wie er in meine Wohnung schaute. Ich beendete das Gespräch und versprach Ella, später zurückzurufen.
Ich lief zur Wohnungstür, irgendwie hatte er etwas an sich, was mich faszinierte. Sein schüchterner Blick und sein rot-werden gestern hatten mich irgendwie berührt. Lange hatte mich schon nichts mehr berührt, und ich war froh, dieses Gefühl überhaupt zu spüren.
Ich schaute durch den Türspion und sah ihn die Stufen von der Haustür zum Erdgeschoss hochlaufen. Ich stellte mich darauf ein, ihn nur kurz vorbeilaufen zu sehen, aber was war das? Er blieb vor meiner Tür stehen. Mein Herz klopfte bis zum Hals. Ich überlegte, was, wenn er nun klingelte? Sollte ich überhaupt aufmachen? Ich war noch total verschwitzt vom Joggen, hatte nur schnell Schuhe und Strümpfe vor der Tür ausgezogen, als ich schon das Telefon läuten hörte. Ich hielt die Luft an und schaute weiter durch die kleine Linse. Ich sah, wie er sich runterbeugte, was tat er denn da unten? Er saß vor meinen Schuhen, hatte einen der nassen dreckigen Socken herausgezogen und betrachtete ihn. Dann nahm er einen Schuh in seine Hand und hielt ihn vor seine Nase. Oh mein Gott, ich überlegte, wie der riechen musste, ich hatte ihn ja nicht ohne Grund vor der Tür ausgezogen. Ich war wie erstarrt und schämte mich, obwohl ich ihn ja nicht aufgefordert hatte an meinem Schuh zu riechen. Ich schaute auf meine Füße, die immer noch verschwitzt waren vom Joggen. Ich konnte sie bis hierher riechen.
Ich sah wie er mit seiner Zunge dort leckte, wo mein Fuß gewesen war. Und obwohl ich erst einmal nicht verstand worum es ging, sah ich seinen Gesichtsausdruck dabei. Es hatte was von Leidenschaft, es war weder ekelhaft oder anrüchig. Er hielt den Schuh, wie er vermutlich das Gesicht oder wahrscheinlich auch den Fuß einer Frau halten würde.
Mein Herz machte plötzlich einen dieser kleinen Hüpfer, und ich sah eine Zärtlichkeit in ihm, wie ich sie selten gesehen hatte. Ich wünschte, ich wäre die Frau, die er so halten würde, es wäre mein Fuß, den seine Zunge lecken würde. In Gedanken sah ich ihn vor mir knien, so wie vor meinen Schuhen.
Ich schaute noch einmal, er war weg. Leise öffnete ich die Tür und sah, dass er beide Söckchen mitgenommen hatte. Auch wenn es seltsam war, ich freute mich darüber, dass er das von mir haben wollte, dass ich ihm so nah war, dass er einen Teil von mir mit in seine Phantasien nahm. Ich ging in mein Schlafzimmer, holte frische Wäsche, zog die Sockenschublade auf und musste lächeln. Ich war mir sicher, das war ein neuer vielversprechender Anfang.


© 2005 jutta

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